Dienstag, 7. September 2010

Die erste Woche : Von Büyükada bis Bozcaada

Nachdem ich mich waehrend der aufwendigen Reisevorbereitungen, d.h. bei Hitze das Boot seetauglich zu machen, fragte was das Ganze soll, bin ich jetzt doch froh, dass diese Reise stattfindet. Ich glaube, ich bin dabei zu verstehen, warum man sowas macht.
Nachdem ich im Anfang Alptraeueme gehabt habe, dass ich mit einem meiner Füsse gefesselt und mit dem Kopf nach unten in einem der etwa 40 Seile an Bord baumele, weiss ich inzwischen, wofür sie beim Segeln gebraucht werden und beteilige mich an ihrem Einsatz, bzw. ordne sie brav für ihren Einsatz.
Nachdem ich bei jeder Hafeneinfahrt Panikausbrüche hatte, dass unser Boot auf eine der Kaimauern knallt (ich hatte mal so einen Unfall mit einen anderen offiziellen Schiff) assistiere ich inzwischen schon beim Anlegen bzw. Ablegen mit relativ wenig Angst und bewege mich schon recht flink an Deck.

Nachdem ich mich lange fragte, warum an Booten solche Gummidinger rumbaumeln, weiss ich inzwischen wozu die notwendig sind. Und überhaupt, ich glaube, jetzt habe ich langsam begriffen, wozu an Bord was notwendig ist. Als wir damals das Boot in Holland gekauft haben, konnte ich nur Klo, Sitze, Wasserhahn und dergleichen als bekannte Objekte identifizieren. Die erste Nacht lag ich sogar zuerst mit dem Kopf am Fussende, weil ich so nach vorne gereadeaus gucken konnte. Aber liegt man an Bord anders. Auch kapiert!
Nachdem ich aus einem Chaos von Gepaeck, Geschirr, Lebensmitteln, Katzenklo und und und ... alles schon verstaut und für alles einen Platz gefunden habe, empfinde ich dieses Boot langsam als ein kleine Zweitwohnung auf See.


Nachdem mein lieber Mann schon monatelang von dieser Reise gesponnen hat und ich sie mir kaum vorstellen konnte, empfinde ich langsam, dass er sich doch diesmal etwas ausgedacht hat, was seine Reize hat.
Nachdem ich erst vor den 11 Meter hohen Segeln, die bei Wind grollende Geraeusche von sich geben, einen Riesenrespekt gehabt habe, freue ich mich heute, wenn der Wind sie aufblaeht und sie uns über das Meer gleiten lassen.
Und so konnten wir am 29. September morgens zu fünft an Bord aufbrechen.
Kater Basi is on Board!
Er ist schon alt. Zwar haette jemand ihm seine Breckies gegeben und sein Klo gereinigt, doch wer haette ihm so lange Zeit meine Liebe gegeben? So ist er auch dabei!
Wir reisen bzw. segeln jeden Tag etwa 6 Stunden, waerend der Zeit schlaeft Basi (wie auch zu Hause) in unserer Koje. Haben wir danach irgendwo angelegt, ist er zuerst an der Reihe: Katzenklo, Futter, Wasser. Danach putzt er sich und beobachtet das Geschehen. Nachts schlaeft er bei uns. Morgens ist er auch immer der erste, für dessen Wohl ich sorge, denn er ist noch etwas ungeduldiger als Hasan. Nun hat Basi sich an das Leben hier gewöhnt und freut sich, mich für sich zu haben. Er schnurrt und sitzt bei oft uns...

Zur Besatzung gehört auch Lea, die Hündin unserer Freundin Lale. Auch Lea sollte nicht so lange ohne uns sein. Sie hatte im Gegensatz zu Basi etwas mehr Umstellungsprobleme. Sie ist bei der Ankunft im Hafen schon ein paar mal ins Wasser gefallen, weil sie so ungeduldig ist, an Land zu kommen. Aber jedesmal hat Hasan sie wieder in null komma nix aus dem Wasser gezogen. Hunde sind gute Schwimmer. Nun weiss Lea: bei Ankunft warten! Danach geht Hasan mit ihr los. Wenn die beiden zurückkommen sind die Erfrischungen oder Snacks für uns fertig. Dabei werden Weiterreisetermin und der Abend geplant. Es ist, wenn wir angelegt haben, meistens spaeter Nachmittag und wir gehen spazieren (natürlich mit Lea) in all den sehr schönen Orten, die Hasan für unsere Reiseroute gewaehlt hat. Nachts gibt es noch bei lauem Wind ein Glas Rotwein für jeden, bis der Schlaf kommt. Dann schlaeft man schaukelnd bei kühler Brise auf dem Meer. Durch die Luke kann man direkt den Sternenhimmel sehen.


Die weitere Besatzung sind wir zwei Matrosen. Ich bin ein schlechter, weil ich doch noch ein bisschen Schiss habe. Aber ich hab schon viel gelernt und assistiere Kaept'n Hasan so gut ich kann. Ich leiste beste Dienste, wenn es darum geht, für das leibliche Wohl von allen zu sorgen. Es gibt manchmal Menüs an Board, Spagetti und so, manchmal gehen wir essen. Natürlich gibt es dann Fisch, den man in der Aegaeis überall frisch gefangen bekommt. Unsere Frühstücke werden uns alle fünf unvergessen bleiben. Wir sitzen zu fünft hinten, wo es im Gegensatz zu früher geraeumiger geworden ist (Hasan hat etwas umgebaut). Es gibt Tschibokaffee und Tee, Oliven, Tomaten, Kaese, Omlet und selbstgemachte Aprikosenmarmelade. Zwar hat man das zu Hause jeden Tag, doch nicht wie auf dem Boot, wo meist ein idyllischer Anblick auf einen schönen Ort, einen Hafen, Fischerboote oder andere Boote  geboten wird. Hnizu kommen frische Luft und lauer Wind...

Unsere Feundin Lale ist der zweite Mat. Wir wollen dieses Abenteuer mit ihr teilen, weil sie für Hasan schon sehr viel getan hat. Sie lebt allein und sie hatte noch nie richtig Gelegenheit, etwas von der Welt zu sehen. Sie macht alles im Zeitlupentempo, denn sie ist eine sehr bedaechtige, stabile, ruhige Frau. Bei uns beiden hyperaktiven Irren, Hasan und mir, ist es gut, wenn zwischen uns eine ruhige Person weilt. Sie raucht, auch wenn's mal sehr abenteuerlich und hektisch zugeht, in aller Ruhe ihre Indianerpfeife (Zigarette). Zu sehen, wie sie wirklich alles in Ruhe beobachtet und geniesst, ist beneidenswert. Auch Lale leistet wichtige Handreichrungen, sie ist allerdings nicht so flink, da muss ich dann umsomehr an Deck für den Kaept'n springen. (Dabei quietsche ich manchmal wie ein Schweinchen vor Bange und Aufregung und mache den Kaept’n verrückt ).

Und nun zum Kaept'n: Auch wenn ich Hasan erst verflucht habe, weil er schon wieder einmal so krumme Ideen ausgebrütet hat, so werde ich langsam immer mehr ein Fan dieser Idee. Vor allem bin ich fasziniert, wie dieser Mann so schnell von 0 auf 100 kommt. Er repariert den Motor, hangelt am Mast, springt vom Boot auf die Kaimauer, taucht, angelt, werkelt und bastelt, repariert was am Boot, zieht mit Kraft die Taue, kaempft mit den Segeln im Wind und und und... Fragt man ihn nach seinen Erfahrungen als Kapitaen, lacht er und sagt, dass er mal auf einer Militaerakademie war, wo er das alles vor 40 Jahren lernte, aber dabei das Segelboot versenkt habe. (Stimmt wirklich!) Seit einem Jahr befasst er sich aber mit diesem Thema ganz intensiv. Er liest dazu alles, was man sich an notwendigem Wissen aneignen muss. Und es klappt: Er kalkuliert morgens die Windrichtungen, berechnet die Route, liest die Seekarten, richtet das Boot, stellt die Segel ein, lenkt das Schiff sicher auch bei hohem Wellengang und bewaeltigt vor allem das Anlegen und Ablegen, was nicht einfach ist, weil so ein Boot immer vom Wind kraeftig abgetrieben wird.
Es ist eine Woche vergangen. Unsere Route führte uns über Silivri, Tekirdağ, Şarköy, Gelibolu nach Bozcaada. Hier haben wir heute in einer Bucht das Boot an Felsen festgebunden, schwimmen und werden hier übernachten. In den vergangenen Tagen haben mich schon viele Dinge beeindruckt: Eins ist die Solidaritaet unter den Seeleuten. Man kommt ins Gespraech, tauscht Erfahrungen aus, gibt sich Tips, und auch vom Proviant was ab. Nachts schlummert man recht gut auf dem schaukelden Schiff, das ist ein wunderbares Gefühl. Unterwegs findet man in jedem Ort immer wieder etwas Besonderes wie dicke frische Pfirsiche, Feldtomaten und Feigen in Silivri, leckere Köfte in Tekirdağ, leckere Süssspeisen in Geliolu, supertollen Wein auf Bozcaada. Man sieht immer wieder ein anderes Panorama, wie zum Beispiel die kleinen Dörfer oder Staedte und traumhafte grüne Hügel im Hintergrund. Auch das Meer zeigt sich immer von einer neuen Seite. Mal dunkelblau, mal silber, mal mit Schaumkronen, mal mit hohen Wellen, mal dunkelgrau...

In Gelibolu habe ich den köstlichsten Fisch meines Lebens gegessen. Gestern haben wir uns auf Bozcaada einen besten Wein geleistet, denn Wein ist typisch für diese Insel.

Ich frage mich, warum man so eine Reise macht, bei der man sich auf kleinstem Raum mit dem Allernotwendigsten zufrieden geben muss und auf so machen Komfort verzichten muss, wo man doch zu Hause alles hat. Ich denke der Reiz ist, mit der Natur so eng verbunden sein zu können: Meer, Wind, Sonne, Mond, Sternhimmel...
Es ist ein wunderbares Gefühl die Sonne und das Salz des Meeres auf der Haut zu spüren. Ausserdem bietet jeder angesteuerte Ort neues Publikum und wunderschöne Eindrücke. Wahrscheinlich ist das Reizvolle auch das Wechselspiel von Katzenwaeschen und ausgiebigem Duschen, von Thermoskannenkaffe mit Stullen und reich gedecktem Rakı Sofrası (Tafel), von harter Arbeit an Bord (Segeln braucht Kraft und Geschick) und entspannenden Mondnaechten mit 'nem Glas Wein an Bord.
Weg vom Styling und Schickmachen zu Shorts und T-Shirt. Weg von Terminen in eine Zeitlosigkeit. Und das Leben mit dem Allernotwendigsten erinnert an das, was man wirklich braucht.




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