Donnerstag, 16. September 2010

Die dritte Woche…Von Küçükkuyu über Ayvalık nach Bademli


Die Fahrt nach Ayvalık verlaeuft bei ruhigem lauem Wind. Schon bald sehen wir die vielen kleinen Inseln, die um Ayvalık herum liegen. Wieder gibt es einen schönen Blick, den uns die Natur bietet: blaues Meer, blauer Himmel, grüne Hügel, verschiedene kleine Inseln…
Wir steuern ein Ayvalık an. Hier lebt Ahmet Hamdi, ein alter Freund aus Hasans Zeiten als Revolutionaer, Sympatisant und früheres Mitglied der türkischen kommunistischen Arbeiterpartei. Ahmet Hamdi ist ein richtiger Intellektueller, vor dessen Wissen ich echt Respekt habe. Ich hab ihn sehr gern, er ist und war für mich auch immer ein wertvoller Freund. Ich glaube, Hasan und Ahmet Hamdi sind wie zwei Brüder.
Wir legen nicht in Ayvalık an, sondern lassen uns von Ahmet Hamdi aus der Ferne zuwinken und fahren weiter in die Bucht Cennet (Himmel) Körfesi. Hier ist das Meer türkisblau, weil der Grund sandig ist. Wir schwimmen und plantschen bis zum Abend. Da gibt es dann noch einmal Fischsuppe (von Kemals Fisch). Hier in dieser Bucht ist das Meer ganz ruhig, sodass wir gut schlafen.
Am naechsten Tag bleiben wir auch hier, denn das Meer lockt zum Schwimmen und wir ruhen an Deck. Hasan hat unser Schlauchboot ins Wasser gelassen, sodass Hündin Lea an Land kommt. Es gibt kaum Menschen am Ufer, nur einen Schaefer und einen Waechter, bei denen wir Strom und Tee bekommen, sodass wir ins Internet kommen und Lea kann ein paar Stunden an Land rennen.
Das Boot kommt auch auf seine Kosten, denn wir haben hier in der Bucht auch Zeit, mal alles an Board zu richten.
Abends gibt es einen Sturm von Windstarke 6-7. Das Tösen des Windes ist richtig furchterregend, doch wir sind in unsrer Bucht sehr sicher.
Nach dem Frühstück des naechsten Tages, lesen wir und warten den Surm ab. Danach geht es weiter zur Cunda Adası (eine berühmte Halbinsel bei Ayvalık), die früher von Römern bewohnt war. Sie ist immer noch voll von alten Ruinen der Römer, die hier Oliven anbauten und damit handelten. Es gibt viele alte wunderschöne Steinhaeuser der alten Bevölkerung römischen Ursprungs. Diese Insel war immer einer meiner Lieblingsorte und wir verbrachten schon viele unserer Urlaube hier. Inzwischen ist sie mir aber zu stark bevölkert und zu touristisch. Trotzdem noch schön genug….
Unser Anlegen im Fischerhafen ist zunaechst sehr schwierig. Wir werden hier auch nicht gut empfangen. Es kommt niemand zur Hilfe. Wir müssen richtig kaempfen, denn das Boot wird stark vom Wind abgetrieben. Erst viel spaeter kümmert sich jemand darum, dass wir einen besseren Anlegeplatz bekommen. Er kassiert aber auch dafür ‘ne Menge.
Trotzdem geniessen wir den Abend hier: sitzen im “Taş Kahve” (ein typisches altes Teehaus), essen Eis mit Rezina (Pinienharz) und kaufen ein.
Lale kauft sich ein schickes Kleid und einen Cowboyhut.
Zu Abend essen wir am Hafen, wo es viele Restaurant gibt. Sie sind bekannt dafür, dass man hier die meisten “Meze” (Vorspeisen) bekommt; es sind so etwa 50-70 an der Zahl. Wir waehlen ein paar aus und wieder gibt es Fisch, Papalina, knusprige Minifischchen. (Eigentlich wollten wir ja so schnell nicht wieder Fisch essen, nachdem wir bei Kemal kiloweise Fisch gespeist hatten!) In der Naehe sitzt ein alter Herr und spielt mit seiner Violine Musik für alle Gaeste.
Lale sitzt lachend mit Cowboyhut am Tisch und ist gut drauf, denn sie liebt die Atmosphaere hier sehr. Hasan und Lale haben diese Nacht den Kanal ganz schön voll! Ich nicht, denn ich höre schon schnell auf zu Raki trinken, da ich mich einer anderen Köstlichkeit hingebe: ich sehe in der Naehe, wie man dort frische in Honig gewaelzte Teigbaellchen produziert und verkauft. Die muss ich unbedingt essen und dazu wieder Eis mit Rezina. Diese Kombination laesst mich alles andere  ess- und trinkbare am Tisch vergessen. Ich war mal wieder im 7. Pudding und Süssspeisenhimmel!!!

Um halb neun bimmelt dann morgens (16.9.) Hasans Handy und bald darauf steht Ahmet Hamdi bei uns am Boot: Wild gestikulierend, seine Pfeife im Mund, mit seiner weissen Rennfahrerkappe auf dem Kopf, aus der sein langes Haar hervorwaechst. Die Rennfahrerkappe traegt Ahmet Hamdi schon seit Jahren. Er ist mit seinen über 70 ein dynamischer Hans Dampf, der voll Wissen und Ideen steckt, doch leider dem Alkohol auch sehr verfallen ist. Ahmet Hamdi nimmt uns mit in sein Haus nach Ayvalık (20 Minuten von unserem Boot entfernt). Dort setze ich mich in seinem schönen blumigen Garten und schreibe. Ich gehe dort auch auf den Wochenmarkt.
Der Markt in Ayvalık ist ein Wirr-Warr von Menschen und Produkten aller Art.
Ich kaufe mir Shorts und Unterwaesche (man bekommt auf dem Markt alles!), denn ich will bei Ahmet Hamdi duschen und hab' nix mitgenommen. Auf dem Markt gucke ich mich um und am meisten beeindrucken mich die verschiedenen Gewürze und Kraeuter in ihrer Vielfalt.
Ich komme vom Markt zurück, dusche, danach gehen wir in eine Lokanta (ein Restaurant), in dem es Hausmannskost gibt. Alles ist sehr lecker, vor allem der hausgemachte Yoghurt. Auf dem Rückweg gehen Lale und ich noch in dem Ort Ayvalık spazieren. Mich beeindrucken hier vor allem die alten Haeuser aus Naturstein mit ihren schönen alten Türen und Toren.
Ayvalık war ebenfalls mal von den alten Römern bewohnt und man merkt noch stark den Einfluss der einstigen römischen Bewohner. In diesem Ort wurde auch schon seit eh und je mit Oliven gehandelt. Es riecht hier in der Kleinstadt so richtig nach Oliven und man kann alle Olivenprodukte überall kaufen. Und da die griechische Insel Sakızada in der Naehe ist, macht man hier sowie überall in dieser Gegend (im aegaeischen Raum) vieles mit Sakız: Wein, Pudding, Kaffee, Eis, Likör, Gebaeck usw. Sakız ist Pinienharz (Rezina) und man gewinnt es von Pinien, besonders auf der griechischen Insel Sakızada (Chios). Ich hab auf unserer Tour schon tausendmal Eis mit Rezina geschleckt.
Lale und ich lassen uns im alten Caybahçesi unter den dichten, Schatten spendenden Blaettern der wohl 200 Jahre alten Baeume nieder. Das Cafe muss wohl auch so alt sein. Ich kaufe Gebaeck mit Sakız und wir trinken dazu Tee. Danach trinken wir noch echte Limonade aus frischen Zitronen - eiskalt, denn wir haben noch Temperaturen um 30 Grad.
Noch einmal gehen wir zu Ahmet Hamdi, wo Hasan und Lea auf uns warten. Ahmet Hamdis Haus ist ein altes Rumevi (ein Haus früherer Einwohner römischer Abstammung) aus dem Jahre 1895. 
Den Abend lassen wir noch mit einem Glas Wein ausklingen.
Am naechsten Morgen machen wir uns früh auf den Weg nach Bademli. Hier werden wir in einer Bucht vor Anker liegen. Das bedeutet, dass wir Proviant mit an Bord nehmen müssen. Wenn wir vor Anker liegen, dann gibt es nur Meer und keine Zivilisation in der Naehe. An solchen Tagen, koche ich und wir essen auf dem Boot. Diese Tage in den Buchten verbringen wir meistens mit schwimmen, lesen, surfen im Internet (mit nem Stick). Dann lassen wir auch unser Schlauchboot ins Wasser und so kommt Lea ans Land und kann rennen.
Die Bucht von Bademli ist ein Traum: wunderbares Wasser zum Schwimmen. Es gibt hier keine Wellen, denn die Bucht liegt zwischen 2 Inseln und ist recht windgeschützt.
Der zweite Morgen hier beginnt für Hasan und mich mit einem Bad in den natürlichen Heilquellen, die es hier gibt. Sie sind sehr warm aber auch ein bisschen schmutzig. Danach schwimmen wir noch einige Runden im klaren Meerwasser. Nach dem Frühstück fahren wir in eine benachbarte Bucht, die uns auch einen schönen Blick aufs Meer bietet. Hasan und ich fahren dort von unserem Boot aus mit dem Schauchboot in den ganz kleinen Fischerort in der Naehe, um mal nach Möglichkeiten zu gucken, unseren Computer aufzuladen.
Nach 'nem kleinen Marsch finden wir ein wunderschönes Lokal, wo man uns ungestört mit unserem Computer puzzeln laesst. Uberall sind Olivenbaeume, Katzen spielen auf der Wiese. Dort lassen wir uns im Schatten nieder, trinken kühles Bier und bestellen dazu Sigarra Böreği (Blaetterteig mit Kaese).
Lale ist auf dem Boot geblieben. Sie ist froh, wenn wir Quaelgeister mal weg sind. Als wir zurückkommen, koche ich wie ein Weltmeister und es schmeckt phantastisch. Ein Boot mit einem deutschen Ehepaar steuert auf uns zu. Sie sind  etwa 55-60. Jahre alt, Aussteiger, die sich hier eine kleine Welt geschaffen haben.
Der Abend bescherrt uns noch wunderschöne Sonenuntergaenge. Jeder kuschelt in irgendeiner Ecke des Bootes, auch Basi und Lea. Wir gucken immer wieder auf den roten Abendhimmel. Hasan liest. Er liest z.Z. das Buch von Nassım Nicholas Talep “Der schwarze Schwan”. Ab und zu brummelt er vor sich hin und zitiert etwas aus dem Buch, das ihn sehr beeindruckt, weil es zu seiner Weltauffassung passt. Über “Uncertainity” steht da was im Buch… Und so ist eine Bootsreise auch. Man weiss nie, wo man am naechsten Tag ankommt. Hasan liebt Herausforderungen und so eine Art Ungewissheit. Er sieht sehr erholt und gesund aus, etwa 3 Monate nach seinem Herzinfarkt.
Ich muss gestehen, dass er ein hervorragender Kapitaen ist. Er geht sehr gewissenhaft und vorsichtig an die Sache heran und kalkuliert gut. Dazu benutzt er u.a. Maxsea im Computer. Das ist fast so was wie ein Navi im Auto. Aber nicht nur das braucht man zum Segeln. Man braucht vor allem Erfahrung, die sich bei uns dreien kaum vorhanden ist, die sich aber von Tag zu Tag etwas verstaerkt. Wie immer:  learning by doing…

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