Dienstag, 5. Oktober 2010

Die fünfte Woche von Çeşme über Teos nach Didyma...

Lebt man auf dem Wasser, sieht man immer wieder Segler aus aller Welt. Meistens sind es Leute im Frührentneralter oder jüngere Leute, die sich nicht richtig etablieren wollten.  Man sieht viele Maennercrews oder Maenner, die allein segeln. Freunde haben erzaehlt, dass ihre Ehefrauen nach einer sturmreichen Segeltour nie wieder mitgesegelt sind, es hat sogar Faelle gegeben, in denen es nach einem Segelurlaub zur Scheidung kam. Nach unserer Tour von Çeşme zur Nergiz Bucht (Nergis Koyu) war mir alles klar, jetzt weiss ich warum:
Wir brechen sehr früh auf, denn je früher desto besser. Am Nachmittag soll naemlich der Wind zunehmen. Wir erwarten Lodos, d.h. Südwind. Der ist nicht so gut für uns, weil wir in den Süden wollen und so werden wir Gegenwind haben. Die Windstaerke 3-4 scheint zunaechst akzeptabel zu sein. Doch schon bald nach Çeşme ist das Wetter piesepampe, diesig und etwas kalt. Wir waermen uns mit wetterfestem Zeug und erfreuen uns zunaechst an dem Blick. Am Festland sieht man den Alpen aehnliche grüne Gebirge, dazu das Meer und die Schiffe auf dem Meer. Eine ganze Weile sind wir noch im Schutz der griechischen Insel Chios. Die Wellen sind aber schon so hoch, dass ich die Zaehne zusammenbeissen muss, um nicht seekrank zu werden. Es kommt noch schlimmer: als wir dann ins offene Meer geraten, d.h. keinen Schutz mehr durch eine der griechischen Inseln haben, und als auch noch die Windstaerke zunimmt, wird unser Boot durch die Kraft der Wellen so sehr von oben nach unten, von links nach rechts  geworfen, dass wir alle kaempfen müssen. Mir ist kotzübel und schwindelig. Auch Lea und Basi geht es nicht gut. Die beiden anderen bleiben tapfer. Die Wellen, die inzwischen eine Höhe von 3-4 Metern erreicht haben, schwappen teilweise über unser Boot hinweg. Immer wieder kommt eine Welle und reisst uns nach unten und dann kommt schon mit aller Wucht die nachste Welle nach. Da die Wellen von vorne und von der Seite kommen wird im Boot alles pitschnass. Es ist nichts mehr an seinem Platz und nichts bleibt trocken. Komischerweise habe ich, obwohl das alles echt gefaehrlich ist, keine Angst mehr, entweder weil mir zu übel ist oder weil ich mich an hohe Wellen gewöhnt habe. Alles geht wie ein Alptraum an mir vorbei. Wir lernen daraus:  bei Lodos in dieser Staerke besser nicht aufs Meer zu gehen. Die Windstaerke war, wie wir spaeter erfahren, nicht 3-4, sondern 5-6. So eine Windstaerke als Rückenwind zu haben, ist gerade noch zu bewaeltigen, doch als Gegenwind tödlich. Wir sind alle erschöpft. In meinem Frust aergere ich mich über Hasan, aber noch nicht so, dass ich an Scheidung denke. Er macht wie immer trotz allem seine Scherze und lacht, wo ich doch fast sterbe! Er schafft es, mit viel Anstrengung unsrer Boot in die von uns angestrebte rettende Bucht zu bringen, die nur schwer, aber per MaxSea zu finden ist.
Hier haben auch schon andere Boote Zuflucht gesucht. Wir atmen alle auf. Basi schreit nach seinem Futter, was er ganz schnell wütend verschlingt. Wir trinken was Warmes, danach geht’s los: Alles muss gereinigt und vor allem trockengelegt werden. In dieser wunderschönen Bucht ist das Wasser einladend türkisblau und die Sonne scheint.  Man hört in der Ferne die Wellen ans Festland schlagen, doch wir sind hier - Gott sei Dank! - geschützt. Wir haengen alles draussen ans Boot. Ein komischer Anblick, denn sowohl die Bettwaesche als auch Unterwasche, alles haengt, wo nur irgendwo Platz ist, um in der Sonne zu trocknen. Die verschwindet aber leider schon bald, denn es ist spaet geworden. In dieser Bucht ist es leider nach dem Sonnenuntergang auch sehr feucht, fast nebelig . Es wird eine unangenehme feuchte Nacht. Ich koche uns an diesem Abend noch eine heisse Suppe, das einzige Highlight an diesem Tag.
Doch der naechste Morgen zeigt sich von seiner besten Seite: Die Sonne scheint, rund um uns herum in der grün bewachsen Bucht wachsen u.a. auch überall hellrosa Blumen. Man hört Vögel zwitschern und das Meer ist so kristallklar, das man den Grund sieht.
Wir lassen die Sonne alles trocknen, schwimmen, frühstücken, lesen und gehen an Land. Zuerst schwimme ich dorthin und entdecke einen interessanten Grill. Da war jemand sehr kreativ! Auf einem Gestell (möglicherweise das Unterteil eines Kinderwagens) hat man ein paar zusammengestückelte Bleche aufgesetzt. Ebenso sind hier eine Bank, ein Tisch aus Holzbrettern mit 3 Beinen, ein Stuhl ohne Sitzflaeche (er bekommt eine alte Holzkiste als Sitzflaeche)...
Aber das Ganze steht da so einladend in der menschenleeren Idylle unter Oliverbaeumen... Ich will grillen!!! Ich schwimme zurück, hole alles Grillbare, was wir an Board haben und mit dem Schlauchoot  fahren wir dorthin an Land, um ein Picknick zu machen. Hasan und Lale essen zum ersten Mal Grillkartoffeln mit Butter. Und wir haben auch Sucuk (Knoblauch-Salami) und guten Rotwein. Es wird ein wunderbaeres Grillfest, das uns den schecklichen Turn von gestern vergessen laesst. Wir schwimmen noch ausgiebig und danach ruhen wir auf dem Boot, das wieder etwas trockener geworden ist.  Zwar ist die Luft hier in der Bucht recht feucht, doch sie ist paradiesisch schön. Ohne ein Boot sind solche noch unangetasteten Stellen der Natur gar nicht zu erreichen und man meint, unsere Welt sehe überall gleich aus. Ich bin überwaeltigt von all diesen natürlich schönen Stellen, die ich auf dieser Reise immer wieder sehe.
Am Morgen danach brechen wir zu einer Fahrt nach Teos auf. Hasan hat den Wind und die Route gut berechnet. Er will uns so eine unangenehme Tour ein zweites Mal ersparen. Die Weiterreise verlaeuft unkompliziert.  Der Kaept’n und Lea sitzen waehrend der fahrt oft an Deck, wir fahren mit dem Motor und teilweise einem Segel, denn wir haben heute nicht so viel Wind. Lale und und ich sitzen meistens am Steuer.
Wir kommen in Teos an. Es ist ein kleiner Ort mit einer Festung, umgeben von einer historischen Stadtmauer und der Tempel des Dyonisos ganz in der Naehe. Die Marina ist ganz neu. Man laedt uns zur Eröffnungsfeier ein, die wir aber nicht abwarten werden. Wir fühlen uns in der Marina wohl, denn es gibt gute Duschen, einen guten Servis und nette Leute, die auf  den anderen Booten leben. Sehr interessant ist das: Boot an Boot... Leute von überall... Leute, die schon viel Interessantes gemacht und erlebt haben...
Besonders faellt mir ein alter Herr  auf, der seit 26 Jahren nur auf seinem Schiff lebt. Das Schiff ist echt eine antike Schönheit. Er hat sie liebevoll gepflegt und gestyled. Das Schiff ist gross und schick. Jeden Abend beleuchtet der Herr es so festlich, als gaebe es dort einen Empfang. Aber immer sitzt der alte Herr allein auf seinem Schiff mit dem Namen Castalia (aus Hermann Hesses Roman). Er starrt in die Nacht mit einem Glas Wein und er starrt in den Tag mit einer Tasse Kaffee. Vielleicht lebt er in einer Traumwelt. Er erscheint mir wie eine Seele aus einem anderen Leben. Villeicht ist er der alte Kaept’n Cook. Oder vielleicht feiert er abends in seiner regen Phantasie den Tanz der Vampire. Jedenfalls erfüllen mich auch tausend Phantasien, wenn ich an diesem feinen Schiff vorbeigehe. Hasan bewundert die Unabhaengigkeit dieses Mannes, doch dessen Einsamkeit bedrückt ihn. Hasan hat schon lange verstanden, dass es auf dem Boot allein nicht so toll sein würde. Er geniesst, uns alle, Lale, Basi, Lea und mich um sich zu haben.
Nicht dass jemand denkt, Tiere an Board, das ist nix!... Im Gegenteil: unsere Tiere sind total glücklich. Es gibt für sie Rund-um-Catering und sie sind mit ihren Menschen eng zusammen. An den Rhythmus von Bootsfahrt und Ankern, bwz. Leben in der Marina haben sie sich gewöhnt. Starten wir, nehmen sie automatisch ihre Liegeplaetze ein und schlafen, bis wir ankommen.
Im Ort Teos kann man wieder preiswert frisch gefangenen Fisch und guten Salat essen (ich nehme aus dem Restaurant ein Caddybag für Basi mit). Und es gibt hier eine tolle Baeckerei, wo ich für uns jeden morgen frisches Brot und Börek kaufe und nachmittags frisches leckeres Gebaeck zum Kaffee.
An einem Tag fahren Hasan und ich mit dem Taxi in Town (es gibt nur 2) zum Tempel von Dyonisos. Auf dem Rückweg laufen wir über einen langen Weg auf dem es grünes Gestein und links und rechts sehr alte Olivenbaume gibt. Das Gestein muss Türkis sein. Der Weg führt etwa 2 Kilometer vom Tempel in den Ort, er muss ein uralter Weg sein.
Am letzten Tag in Teos fahren Hasan und ich mit einem Minibus in die Nachbarstadt. Sie ist so richtig haesslich. Wir gehen auf dem Rückweg noch einmal in Teos spazieren, um den Eindruck von der haesslichen Nachbarstadt verblassen zu lassen. Aber der Ort Teos, umgeben von seiner alten Stadtmauer, hat mit seinen kleinen Haeusern und seiner Einfachheit wieder ein Charisma, das uns gefaellt.
Von Teos machen wir uns auf nach Kuşadası. Diese Tour dauert sehr lange, sodass wir erst abends in Kuşadası ankommen. Dieser Ort ist bekannt und voller Tourismus. Im Hafen liegen die Transatlantik-Schiffe aus Europa, die nach Amerika weiterfahren. Überall gibt es Hotels und neugebaute Wohnsiedlungen. Die Marina ist sehr voll. Ich weiss, dass viele Deutsche ihr Boot zum Überwintern hierlassen. Uns gefaellt es hier nicht. Deshalb und auch, um einem Sturm auszuweichen fahren wir am naechsten Morgen schon sehr früh weiter nach Didim (Didyma).
Bei gutem Wetter segeln wir mit dem z.T.Segel Genua und teils fahren wir auch mit dem Motor, vorbei an Gebirgen in feinstem Grün. Dann fahren wir durch eine Schlucht ganz nah bei der Insel Samos. Die Türkei und Griechenland liegen hier nur etwa 1-2 Seemeilen voneinander entfernt. Teils kommen wir in die griechischen Gewaesser, was sich nicht vermeiden laesst. Hasan guckt sehnsüchtig auf Griechenland und ich sehe, dass er es kaum awarten kann, dort hinzukommen.
Es ist (trotz relativ hohem Wellengang) eine gute Segeltour bzw. eine schöne ruhige Fahrt. Das Klima ist hier anders: trockener, windiger, sonniger...
Der Wind nimmt zu und gegen Abend kommen wir in der Marina in Didim an. Es ist auch eine ganz neue, grosse, moderne Marina. Hier verbringen wir ein paar Tage und sind mit dem Servis und den schönen Anlagen und der Ruhe (die Marina liegt 2 km von der Stadt entfernt) sehr zufrieden. Wir wollen wieder den Sturm der naechsten Tage abwarten. Es ist tagsüber sehr sonnig und trocken, nachts ist es kalt geworden. In der Koje haben wir jetzt ne Kuscheldecke und unsren Schlafsack im Einsatz. Hier schlafen wir bestens. Zwar pfeift der Wind, doch die Marina ist so gut geschützt, dass wir hier keine Wellen haben. Die Luft ist ganz klar. Der Anblick auf das Meer und die umliegenden Berge ist super. Wir verbringen den Tag oft am Pool.
An einem der Tage hier fahren Hasan und ich in die Stadt. Sie ist uns zu modern und ohne besonderen Charakter. Doch der anschliessende Besuch des Apollo Tempels laesst uns staunen: So gewaltige Saeulen habe ich noch nie gesehen. Die Grösse des Tempels und die  in das harte Gestein gemeisselten Ornamente faszinieren uns. Echt sehenswert!!!

Gut ausgeruht wollen wir die sechste Woche noch einmal in einer Bucht und dann am Ziel unserer Reise in Bodrum verbringen, wo viele unserer Freunde, die sich dort niedergelassen haben, schon ungeduldig auf uns warten.
Sechs Wochen zu fünft auf etwa 10 Quadratmetern... da muss man sich schon gut arrangieren können. Ich habe manchmal ein bisschen gebockt, was Hasan mit seinem Humor heute immer schnell abbaut, waehrend er früher darauf allergisch reagiert haette.  Alle anderen samt Basi sind und waren echt geduldig und bescheiden. So haben wir bis heute gute Stimmung an Bord.
 

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